Reisekostenabrechnung bei PKH und VKH

Auch ein im Wege der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe (PKH/VKH) beigeordneter Anwalt kann seine Reisekosten abrechnen. Nach § 46 RVG übernimmt in diesem Fall die Landeskasse die notwendigen Auslagen des Anwalts. Dazu zählen insbesondere auch die Reisekosten des beigeordneten Anwalts (§ 46 Abs. 1 RVG). Der Anwalt hat hier sogar die Möglichkeit, vorab feststellen zu lassen, dass seine Reise notwendig ist (§ 46 Abs. 2 RVG).

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Der Umfang der aus der Landeskasse zu übernehmenden Reisekosten hängt vom Umfang der Beiordnung ab:

Umfang der Beiordnung bei PKH/VKH

Wird der Anwalt uneingeschränkt beigeordnet, erhält er sämtliche Reisekosten aus der Landeskasse in vollem Umfang ersetzt. Das gilt auch dann, wenn die Beiordnung hätte beschränkt werden müssen. Es ist unzulässig, im Verfahren auf Festsetzung der Verfahrens- oder Prozesskostenhilfevergütung eine Beschränkung nachzuholen, die im Beiordnungsverfahren übersehen worden ist.

Beschränkung der Reisekosten auf die Kosten eines Verkehrsanwalts

Mitunter werden auswärtige Anwälte mit der Einschränkung beigeordnet, dass ihre Reisekosten bis zur Höhe der Kosten eines Verkehrsanwalts übernommen werden. Diese Rechtsprechung beruht auf der Entscheidung des BGH v. 23.06.2004, wonach ein auswärtiger Anwalt uneingeschränkt beizuordnen ist, wenn durch seine Tätigkeit zwar Reisekosten anfallen, auf der anderen Seite aber die Kosten eines ansonsten nach § 121 Abs. 4 ZPO, § 78 Abs. 4 FamFG beizuordnenden Verkehrsanwalts vermieden werden.

Die Frage, ob in diesem Fall uneingeschränkt beizuordnen ist oder mit der Maßgabe, dass die Reisekosten bis zur Höhe eines Verkehrsanwalts übernommen werden, ist strittig. Diese Frage spielt nur dann eine Rolle, wenn die Reisekosten die Kosten eines Verkehrsanwalts übersteigen, was in der Praxis selten der Fall ist.

Solche Fälle können allerdings auftreten, wenn der Streit- bzw. Verfahrenswert gering und die Entfernung groß ist oder wenn es zu mehreren Terminen kommt.

Wird eingeschränkt beigeordnet mit der Maßgabe, dass die Reisekosten lediglich bis zur Höhe der Kosten eines Verkehrsanwalts übernommen werden, trägt die bedürftige Partei das Risiko, dass die Reisekosten – gegebenenfalls aufgrund mehrerer Termine – die Kosten eines Verkehrsanwalts letztlich übersteigen.

Beschränkung der Reisekosten auf die Mehrkosten eines Verkehrsanwalts

Liegen die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Verkehrsanwalts vor und will das Gericht die Reisekosten des beizuordnenden Anwalts beschränken, so ist auf die Mehrkosten eines Verkehrsanwalts abzustellen. Die Beschränkung der Reisekosten ist also nicht dahingehend auszusprechen, dass die Reisekosten „bis zur Höhe der Kosten eines Verkehrsanwalts“ übernommen werden, sondern „bis zur Höhe der zusätzlichen Kosten eines Verkehrsanwalts“. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied.

Beispiel:

Der in Hannover wohnende Kindsvater lässt durch seinen in Hannover ansässigen Anwalt beim FamG Senftenberg einen Antrag zum Umgangsrecht des dort bei der Kindesmutter wohnenden minderjährigen Kindes einreichen. Der Verfahrenswert beträgt 3.000,00 €. Der Hannoveraner Anwalt beantragt seine Beiordnung.

Die Reisekosten des Hannoveraner Anwalts bei Annahme eines Termins und einer Fahrt mit dem Pkw würden sich wie folgt berechnen:

1. 2 x 390 km x 0,42, Nr. 7003 VV RVG
2. Abwesenheitspauschale, Nr. 7005 Nr. 3 VV RVG
Gesamt 

327,60 €
80,00 €
407,60 €

Die Kosten eines Verkehrsanwalts würden sich demgegenüber wie folgt berechnen:

1. 1,0 Gebühr, Nr. 3400 VV RVG
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG
Gesamt

222,00 €
20,00 €
242,00 €

Jetzt ist folgende Überlegung anzustellen: Hätte der in Hannover ansässige Antragsteller einen Verkehrsanwalt in Hannover beauftragt und einen Verfahrensbevollmächtigten in Vetschau, dann hätte die Landeskasse die Kosten beider Anwälte übernehmen müssen. Den Verkehrsanwalt hätte sie übernehmen müssen, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 4 ZPO vorgelegen hätten; die Kosten des Verfahrensbevollmächtigten aus Vetschau hätte die Landeskasse in voller Höhe übernehmen müssen, da die Reisekosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts stets in voller Höhe zu übernehmen sind und keine Verpflichtung besteht, im Falle der Hinzuziehung eines Verkehrsanwalts einen Verfahrensbevollmächtigten am Ort des Gerichts auszuwählen. Auch hier hat die Partei/der Beteiligte das Recht, einen auswärtigen Anwalt aus dem Gerichtsbezirk zu beauftragen.

Die höchstmögliche Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks Senftenberg beträgt 64 km (Lübbenau/Spreewald), sodass sich die Reisekosten eines dort beauftragten Anwalts wie folgt belaufen hätten:

1. 2 x 64 km x 0,42 €, Nr. 7003 VV RVG
2. Abwesenheitspauschale; Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG
Gesamt

53,78 €
30,00 €
83,78 €

Dadurch, dass der Antragsteller den Anwalt in Hannover als Verfahrensbevollmächtigten beauftragt hat, sind einerseits die Verkehrsanwaltskosten (242,00 €) erspart worden und andererseits die möglichen Reisekosten eines Anwalts aus Lübbenau (83,78 €), sodass die tatsächlich angefallenen Reisekosten folglich von der Landeskasse nicht nur bis zur Höhe der Kosten des ersparten Verkehrsanwalts (242,00 €) zu übernehmen sind, sondern bis zur Höhe der Kosten eines Verkehrsanwalts zuzüglich der höchstmöglichen Reisekosten eines im Gerichtsbezirks niedergelassenen Anwalts, also insgesamt 325,78 €.

Kosten eines Terminsvertreters als Auslagen

Will der Anwalt, der mit der Maßgabe beigeordnet worden ist, dass seine Reisekosten bis zur Höhe der (Mehr-)Kosten eines Verkehrsanwalts aus der Landeskasse übernommen werden, nicht selbst zum Termin anreisen, sondern sich eines Terminsvertreters bedienen, gilt Folgendes:

Die Beiordnung eines Terminsvertreters für einen Verhandlungstermin ist nach zutreffender Auffassung nicht möglich. Die ZPO (§ 120 Abs. 4 ZPO) und das FamFG (§ 78 Abs. 4 FamFG) sehen nur die Beiordnung eines Verkehrsanwalts sowie die Beiordnung eines Terminsvertreters zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter vor.

Will der beigeordnete Anwalt einen Terminsvertreter beauftragen, so muss er diesen selbst bezahlen und anschließend dessen Kosten über § 46 RVG als Auslagen mit der Landeskasse abrechnen. Diese Kosten des Terminsvertreters kann der beigeordnete Anwalt dann als Auslagen nach § 46 Abs. 1 RVG gegenüber der Landeskasse insoweit geltend machen, wie sie die ersparten erstattungspflichtigen Reisekosten nicht übersteigen.

Solche Pauschalvereinbarungen zwischen dem Anwalt und dem Terminsvertreter sind zulässig und verstoßen nicht gegen § 49b Abs. 1 BRAO.

Beispiel:

Die in Köln wohnende Ehefrau beauftragt in Köln einen Anwalt, der für sie beim FamG Hannover den Antrag auf Scheidung gegen ihren dort wohnenden Ehemann einreicht (Verfahrenswerte: Ehesache 9.000.00 €; Versorgungsausgleich 1.800,00 €). Das FamG Hannover bewilligt der Ehefrau Verfahrenskostenhilfe und ordnet ihr den Kölner Anwalt mit der Maßgabe bei, dass dessen Reisekosten übernommen werden bis zur Höhe der Kosten eines Verkehrsanwalts. Da außer der Ehesache und dem unstreitigen Versorgungsausgleich nichts Weiteres zu regeln ist, ergibt sich für den Kölner Anwalt keine Notwendigkeit mehr, lediglich für die Anhörung der Eheleute und die Stellung des Scheidungsantrags nach Hannover zu fahren. Er beauftragt daraufhin einen in Hannover ansässigen Anwalt und vereinbart mit ihm für die Terminsvertretung ein Pauschalhonorar i. H. v. 300,00 € zuzüglich Umsatzsteuer.

Da der Kölner Anwalt Verfahrensbevollmächtigter war, erhält er die 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) aus 10.800,00 €.

Terminsgebühr

Des Weiteren erhält der Kölner Anwalt unmittelbar die 1,2-Terminsgebühr der Nr. 3104 VV RVG aus 10.800,00 €. Es liegen nämlich die Voraussetzungen des § 5 RVG vor, der auch bei Prozess- und Verfahrenskostenhilfe anwendbar ist. Nicht der Terminsvertreter verdient die Terminsgebühr, sondern der Kölner Anwalt, da für ihn ein anderer Rechtsanwalt den Termin wahrgenommen hat.

Auslagen

Hinzu kommen die Postentgeltpauschale und sonstige Auslagen nach den Nrn. 7000 ff. VV RVG.

Darüber hinaus kann der Verfahrensbevollmächtigte jetzt auch noch die für den Terminsvertreter aufgewandten Kosten als Auslagen nach Vorbem. 7 Abs. 1 VV RVG geltend machen. Diese Auslagen hat die Landeskasse nach § 46 Abs. 1 RVG zu erstatten, da die Bewilligung auch die notwendigen Auslagen umfasst.

Auf den ersten Blick erscheint dies überraschend, weil die Landeskasse jetzt zusätzliche Auslagen für einen Terminsvertreter übernehmen muss. Vergleicht man jedoch, welche Kosten die Landeskasse hätte übernehmen müssen, wenn der Kölner Anwalt angereist wäre, ergibt sich, dass dann noch höhere Kosten angefallen wären. Daher ist die Landeskasse verpflichtet, die Kosten eines vom Hauptbevollmächtigten selbst beauftragten Terminsvertreters bis zur Höhe der ersparten Reisekosten bzw. der ersparten Kosten eines Verkehrsanwalts zu übernehmen.

Dies bedeutet im vorliegenden Fall Folgendes:

Wäre der Kölner Anwalt nach Hannover zum FamG gefahren und unterstellt man, dass An- und Rückreise am selben Tag erfolgt wären, dann wären für ihn folgende Reisekosten angefallen:

1. 2 x 295 km x 0,42 €/km
2. Abwesenheitsgeld
3. Parkgebühren (geschätzt)
Gesamt

247,80 €
80,00 €
3,00 €
330,80 €

Diese Kosten wären auch von der Landeskasse zu tragen gewesen, da sie unterhalb der Kosten für einen Verkehrsanwalt liegen, die sich wie folgt berechnet hätten:

1. 1,0-Gebühr, Nr. 3400 VV RVG (Wert: 10.800,00 €)
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG
Gesamt

354,00 €
20,00 €
374,00 €

Der beigeordnete Anwalt kann daher mit der Landeskasse wie folgt abrechnen:

1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.800,0 €)
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 10.800,00 €)
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG
4. Auslagen Terminsvertreter, Vorbem. 7 Abs. 1 VV RVG
Zwischensumme
5.  19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG
Gesamt

460,20 €
424,80 €
20,00 €
300,00 €
1.205,00 €
228,95 €
1.433,95 €

Der Terminsvertreter erhält vom beigeordneten Anwalt:

1. Pauschalhonorar
2. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG
Gesamt 

300,00 €
57,00 €
357,00 €

Beschränkung zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts

Ist dagegen die Beiordnung eines Verkehrsanwalts nicht notwendig, hätte also die bedürftige Partei bzw. der bedürftige Beteiligte keinen Anspruch darauf, dass neben dem Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten auch ein Verkehrsanwalt beigeordnet wird, dann darf der auswärtige Anwalt nicht ohne Weiteres beigeordnet werden, weil durch seine Beiordnung Mehrkosten entstehen würden (§ 121 Abs. 3 ZPO; § 78 Abs. 3 FamFG).

Die Praxis verfährt allerdings so, dass sie den Anwalt dennoch beiordnet, allerdings eingeschränkt, und damit die Mehrkosten ausschließt. Hierzu ist allerdings das Einverständnis des Anwalts erforderlich, das sich auch konkludent aus dem Beiordnungsantrag ergeben kann.

In diesem Fall darf die Einschränkung aber nur dahingehend lauten, dass der Anwalt „zu den Bedingungen des im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beigeordnet“ wird. So kann er seine Reisekosten wiederum aus der Landeskasse bis zu den höchstmöglichen Reisekosten eines Anwalts aus dem Gerichtsbezirk verlangen.

Auch hier gilt Gleiches wie bei der Kostenerstattung:

  • Gibt es im Gerichtsbezirk Orte, die weiter entfernt sind als der auswärtige Anwalt, sind die Reisekosten des auswärtigen Anwalts in voller Höhe aus der Landeskasse zu vergüten.
  • Ist die Kanzlei des auswärtigen Anwalts weiter entfernt als der entfernteste Ort innerhalb des Gerichtsbezirks, sind seine Reisekosten bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks von der Landeskasse zu übernehmen.
  • Ob in dem entferntesten Ort derzeit ein Rechtsanwalt residiert, ist unerheblich.

Zum Teil prüfen die Gerichte bereits im Bewilligungsverfahren, ob es im Gerichtsbezirk Orte gibt, die weiter entfernt liegen als die Kanzlei des auswärtigen Anwalts, und ordnen dann uneingeschränkt bei. Eine eingeschränkte Beiordnung wäre in diesem Fall nämlich gegenstandslos und könnte nur zu Missverständnissen führen.

Rechtsmittel

Wird die Beiordnung zu Unrecht eingeschränkt, ist hiergegen die Beschwerde nach § 127 ZPO gegeben. Diese Beschwerdemöglichkeit besteht in allen Gerichtsbarkeiten (z. B. § 76 Abs. 2 FamFG, § 166 VwGO). Soweit ein Obergericht entschieden hat, kommt eine Beschwerde nicht in Betracht. Hier wäre allenfalls die Rechtsbeschwerde gegeben, wenn sie nach der Verfahrensordnung vorgesehen ist und zugelassen wird. Die Beschwerdefrist beträgt einen Monat (§ 127 Abs. 3 Satz 3 ZPO).

Festsetzungsverfahren VKH/PKH

Festsetzung

Auch hier bestehen wiederum zwei Möglichkeiten: Der Anwalt kann seine gesamten Reisekosten gegenüber der Landeskasse abrechnen und dann darauf hinweisen, wie weit die höchstmögliche Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks ist. Dann wird sein Antrag wegen des darüber hinaus­gehenden Betrags zurückgewiesen.

Hier bietet es sich jedoch immer an, den anderen Weg zu gehen und in den Vergütungsfestset­zungsantrag sogleich die Reisekosten beschränkt auf die Höhe der von der Landeskasse zu über­nehmenden Kosten aufzunehmen.

Auch hier schadet es nicht, im Festsetzungsantrag unter Nachweis der Rechtsprechung auf die Übernahmepflicht der Reisekosten hinzuweisen.

Erinnerung

Setzt das Gericht die Fahrtkosten ganz oder teilweise ab, ist hiergegen immer die Erinnerung gege­ben (§ 56 RVG). Die Erinnerung ist nicht fristgebunden111 und setzt auch keine Mindestbeschwer voraus.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle kann der Erinnerung abhelfen. Anderenfalls hat er sie dem Richter zur Entscheidung vorzulegen.

Beschwerde

Gegen die Entscheidung des Richters kann nach § 56 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 3 RVG Beschwerde erhoben werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 € übersteigt (§ 56 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Das wiederum ist der Fall, wenn Reisekosten im Wert von mehr als 200,00 € abgesetzt worden sind oder wenn das Gericht noch weitere Kosten abgesetzt hat und die Summe der abgesetzten Kosten den Betrag von 200,00 € übersteigt.

Die Beschwerde ist darüber hinaus auch dann zulässig, wenn der Richter sie in seiner Entscheidung über die Erinnerung zugelassen hat (§ 56 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG).

Weitere Beschwerde

Soweit das LG als Beschwerdegericht entschieden hat, kann auch noch eine weitere Beschwerde erhoben werden, sofern diese zugelassen worden ist (§ 56 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 6 RVG).

Rechtsbeschwerde

Eine Rechtsbeschwerde ist in allen Fällen ausgeschlossen