Die Reisekostenerstattung nach RVG

Erstattungsfähige Reisekosten

Damit ein Anwalt seinem Mandanten Reisekosten berechnen darf, ist eine Geschäftsreise erforderlich. Diese wiederum liegt nach der Legaldefinition der Vorbem. 7 Abs. 2 VV RVG vor, wenn der Anwalt in Erfüllung seines Auftrags das Gebiet der politischen Gemeinde, in der er wohnt oder in der er seine Kanzlei unterhält, verlässt. Bei großen Entfernungen innerhalb derselben Stadt (z. B. Berlin oder Hamburg) fallen jedoch keine Reisekosten an, selbst dann nicht, wenn der Anwalt in einen anderen Amtsgerichtsbezirk fährt.

Parkgebühren gehören zu den sonstigen Auslagen anlässlich einer Geschäftsreise im Sinne von Nr. 7006 VV RVG. Dieser auf Geschäftsreisen beschränkte Auslagentatbestand regelt die Erstattung von Parkgebühren abschließend. Liegt das Reiseziel innerhalb der Gemeinde, in der sich die Kanzlei oder die Wohnung des Rechtsanwalts befindet, werden Parkgebühren wie die Fahrtkosten selbst als allgemeine Geschäftskosten mit den Verfahrens- und Terminsgebühren abgegolten.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.10.2018 – III-2 Ws 531/182

Dagegen können bei kürzester Entfernung Reisekosten anfallen, wenn dabei die Grenze der politischen Gemeinde überschritten wird.

Zweigstelle zählt mit zur Kanzlei

Nach der Rechtsprechung umfasst der Begriff der „Kanzlei“ i. S. d. Vorbem. 7 Abs. 2 VV RVG auch die Zweigstelle einer Rechtsanwaltskanzlei, da diese mit zur Kanzlei zähle und von demselben Anwalt bzw. denselben Anwälten betrieben werde. Fahrtkosten für eine Geschäftsreise zu einem Ziel innerhalb der Gemeinde, in der eine Zweigstelle unterhalten wird, sollen deshalb nicht nach den Nrn. 7003 ff. VV RVG abgerechnet werden können.

Reisekostenerstattung bei überörtlicher Sozietät oder überörtlicher Partnerschaftsgesellschaft

Anders verhält es sich, wenn eine überörtliche Sozietät oder eine überörtliche Partnerschaftsgesellschaft mehrere Kanzleien unterhält, also keine Zweigstellen, sondern eigenständige Büros mit postulationsfähigen Anwälten, die diesen Büros zugeordnet sind. In diesem Fall entstehen Reisekosten, wenn ein Anwalt einer der verbundenen Kanzleien beauftragt wird und am Ort einer anderen Kanzlei einen für ihn auswärtigen Gerichtstermin wahrnimmt. Diese Reisekosten sind dann nach den allgemeinen Grundsätzen auch erstattungsfähig.

Geschäftsreise in mehreren Geschäften

Dient eine Reise mehreren Geschäften, so sind die Kosten nach § 7 Abs. 2 VV RVG auf die einzelnen Geschäfte aufzuteilen.

Soweit der Anwalt wegen mehrerer Gerichtstermine zum selben Gericht fährt, ist die Berechnung relativ einfach. Unabhängig davon, ob der Anwalt die Termine für einen Auftraggeber oder für mehrere Auftraggeber wahrnimmt, werden die gesamten Reisekosten durch die Anzahl der Termine geteilt. So sind die Reisekosten bei zwei Angelegenheiten zu halbieren,28 bei drei Angelegenheiten zu dritteln etc.

Beispiel:
Der Anwalt reist zum auswärtigen Termin für den Mandanten A in ihrer Ehewohnungssache sowie in der einstweiligen Anordnung Unterhalt. Darüber hinaus nimmt er am selben Gericht auch noch einen Termin für den Mandanten B in dessen Scheidungssache wahr. Die Geschäftsreise dient drei Terminen. Daher sind die Gesamtkosten durch drei zu teilen und anteilig auf die Mandate umzulegen.

Komplizierter wird es bei einer sog. Rundreise, also wenn der Anwalt auf einer Tour gleich mehrere Gerichte anfährt. In diesem Fall sind die Reisekosten nach den Verhältnissen der Einzelkosten zu verteilen.

Wird eine Geschäftsreise für mehrere Angelegenheiten durchgeführt – unabhängig davon, ob auch für mehrere Auftraggeber oder für denselben –, so sind die gesamten Reisekosten grundsätzlich gemäß Vorbem. 7 Abs. 3 S. 1 VV RVG verhältnismäßig aufzuteilen. Dies gilt insbesondere für sog. Rundreisen, bei denen für mehrere Auftraggeber auf einer Reise mehrere Ziele angefahren werden.

Bei der Berechnung des auf die jeweilige Angelegenheit entfallenden Anteils ist in folgenden Schritten vorzugehen:

  1. Zunächst sind die tatsächlichen (erstattungsfähigen) Gesamtkosten zu berechnen.
  2. Sodann sind die fiktiven Einzelreisekosten zu ermitteln, die angefallen wären, wenn der Anwalt die Reisen für jeden Mandanten einzeln durchgeführt hätte.
  3. Schließlich muss noch die Summe der Kosten der fiktiven einzelnen Reisen errechnet werden.
  4. Alsdann werden die fiktiven Einzelreisekosten des Mandanten mit der Summe der tatsächlichen erstattungsfähigen Reisekosten multipliziert und durch den Gesamtbetrag aller fiktiven Reisekosten dividiert. Es gilt also folgende Formel:

Beispiel:
Der Anwalt hat seine Kanzlei in Köln. Für Mandant A fährt er zum LG Bonn und anschließend für Mandant B zum LG Koblenz. Das LG Bonn liegt 30 km von der Kanzlei entfernt, das LG Koblenz 120 km, die Entfernung zwischen LG Bonn und LG Koblenz beträgt 100 km. Es ergibt sich folgende Berechnung:

(1) Tatsächliche erstattungsfähige Gesamtreisekosten

Fahrtkosten, VV 7003 ([30 + 100 + 120 km] x 0,42 €/km)
Abwesenheitspauschale 4 bis 8 Stunden, VV 7005 Nr. 2
Gesamt

105,00 €
50,00 €
155,00 €

(2) Fiktive Einzelreisekosten

Mandant A:
Fahrtkosten, VV 7003 (2 x 30 km x 0,42 €/km)
Abwesenheitspauschale bis 4 Stunden, VV 7005 Nr. 1
Gesamt


25,20 €
30,00 €
55,20 €

Mandant B:
Fahrtkosten, VV 7003 (2 x 120 km x 0,42 €/km)
Abwesenheitspauschale 4 bis 8 Stunden, VV 7005 Nr. 2
Gesamt


100,80 €
50,00 €
150,80 €

(3) Summe der fiktiven Einzelreisekosten (55,20 € + 150,80 € =)

206,00 €

(4) Anteilige Kosten

Mandant A hat zu zahlen: 55,20 € x 155,00 € / 206,00 €
Mandant B hat zu zahlen: 150,80 € x 155,00 € / 206,00 €
Gesamt (Kontrolle)

= 41,53 €
= 113,47 €
155,00 €

Umsatzsteuer

Auf sämtliche Reisekosten ist vom Anwalt grundsätzlich Umsatzsteuer abzuführen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG), es sei denn, die Tätigkeit des Anwalts ist ausnahmsweise umsatzsteuerfrei, etwa wegen Auslandbezugs.

Die Höhe der Umsatzsteuer beläuft sich derzeit auf 19 % (§ 12 Abs. 1 UStG). Dabei ist unerheblich, ob die vom Anwalt aufgewandten Reisekosten ihrerseits mit Umsatzsteuer erhoben worden sind. Daher sind auch auf Reisekosten 19 % Umsatzsteuer zu erheben, wenn darin selbst keine Umsatzsteuer enthalten ist (etwa bei umsatzsteuerfreien Parkgebühren) oder nur ein geringerer Umsatzsteuersatz (etwa 7 % bei Taxikosten).

Soweit der Anwalt Umsatzsteuer abführen muss, kann er diese gem. Nr. 7008 VV RVG seinem Auftraggeber in Rechnung stellen.